Matthias Jung


 

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Zeitsprung - Gemeinde 2030

 

 

Die heilige Familie

Predigt am Heiligen Abend 2013 über Matthäus 1,1-16

 

Das ist das Buch vom Ursprung Jesu, des Messias, des Nachkommen Davids und Abrahams.
Abraham war der Vater von Isaak, Isaak von Jakob, Jakob von Juda und seinen Geschwistern.
Juda und Tamar waren die Eltern von Perez und Serach.
Perez der Vater von Hezron, Hezron von Aram, Aram von Amminadab, Amminadab von Nachschon, Nachschon von Salmon.
Salmon und Rahab waren die Eltern von Boas, Boas und Rut waren die Eltern von Obed.
Obed war der Vater von Isai.
Isai war der Vater von David, dem König.
David und die Frau des Urija waren die Eltern von Salomo.
Salomo war der Vater von Rehabeam, Rehabeam von Abija, Abija von Asa.
Asa war der Vater von Joschafat, Joschafat von Joram, Joram von Usija.
Usija war der Vater von Jotam, Jotam von Ahas, Ahas von Hiskija.
Hiskija war der Vater von Manasse, Manasse von Amos, Amos von Joschija, Joschija von Jojachin und seinen Geschwistern zur Zeit der Babylonischen Zwangsumsiedlung.
Nach der Babylonischen Zwangsumsiedlung wurde Jojachin Vater von Schealtiël, Schealtiël war Vater von Serubbabel, Serubbabel von Abihud, Abihud von Eljakim, Eljakim von Azor.
Azor war Vater von Zadok, Zadok von Achim, Achim von Eliud, Eliud von Eleasar, Eleasar von Mattan, Mattan von Jakob.
Jakob war Vater von Josef, dem Mann von Maria.
Sie wurde die Mutter von Jesus, der Messias genannt wird.
(Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache)

Liebe Gemeinde,

vor einer Woche lief im ZDF eine der üblichen schrillen, aber harmlosen Weihnachtskomödien.
Eine reichliche chaotische und zerstrittene Familie kommt über Weihnachten auf einem verschneiten Hof am Rand der Berge zusammen und muss ein Krippenspiel einüben.
Weil das so Tradition im Dorf ist.
Die Familie im Ort, die im Jahr ein Kind bekommen hat oder demnächst bekommen wird, führt am ersten Feiertag die Weihnachtsgeschichte auf.
So weit, so schlecht.
Die Begeisterung hält sich in Grenzen.
Einer äußert es dann auch sarkastisch:
»Unsere Familie als heilige Familie?! Undenkbar!«
Es kommt, wie es sich in Komödien und gerade vor Weihnachten so gehört.
Die Familie findet mehr oder weniger zueinander.
Die Verhältnisse klären sich, wenn auch nicht hundertprozentig.
Das Krippenspiel wird ein Erfolg.
So weit, so gut.
Bei mir aber blieb dieser Satz hängen:
»Unsere Familie als heilige Familie?! Undenkbar!«

Die heilige Familie.
Urbild von Weihnachten. Hier vorne an der Krippe sehen wir sie.
Maria, Josef und das neugeborene Jesus-Kind.
Sinnbild von Familie.
So rein, so zart, so friedlich.
Ein neugeborenes Kind verändert alles, da nicken wir alle sofort.
Wir spüren, wir ahnen, wir sehen mit unseren inneren Augen, hier geschieht Wunderbares.
Ein Gegen-Bild zu unserer Welt.

Wir sehnen uns nach Gemeinschaft.
Nach Menschen, die uns vertraut sind, die uns lieben, unterstützen, tragen, begleiten, trösten, aufrichten, zurechtrücken.
Menschen, die mit uns lachen und weinen, feiern und arbeiten.
Menschen, die uns ohne viele Worte verstehen.
Menschen, mit denen wir uns verbunden fühlen.
Für sehr, sehr viele Menschen ist das die Familie.

Doch die Realität sieht oft anders aus.
Ich brauche da nicht viel zusagen.
Streit, Trennung, Gewalt.
Kehrseiten unseres Wunsches nach Gemeinschaft.
Die Menschen, mit denen wir am stärksten verbunden fühlen, können uns am heftigsten verletzen und wir sie.
Gerade an Weihnachten wird das deutlich, wenn es nachher unter dem Weihnachtsbaum nicht so harmonisch zugeht, wie ersehnt.

Da fragt sich doch:

Was unterscheidet die heilige Familie von unseren Familien?
Können wir von ihr etwas lernen für uns?
Warum hat Gott ausgerechnet Maria und Josef ausgesucht, seinen Sohn zur Welt zu bringen?

Eigentlich ganz einfach:
Maria, die Frau mit reinem Herzen, die Mutter aller Mütter.
Josef, der Ehrenmann, der sich lieber selber aus dem Staub machen will, als seine schwangere Verlobte der Schande zu überlassen.
Beide von Engeln auf ihre Aufgabe vorbereitet, beide voller Gottvertrauen.
Und so kommt es zu dieser Szene im Stall, tausendfach nachgestellt in unseren Krippen und Weihnachtsspielen.
Die heilige Familie, das Kind in der Krippe, Maria und Josef, die Hirten, die Könige, der Stern und die Tiere.
Es ist ein ideales Bild, ein schönes Bild, es rührt etwas in unseren Herzen an.

Aber Vorsicht.
Es lohnt genau hinzusehen.
Sonst übermalt die schöne Romantik die biblische Geschichte.

Ich schaue mir die heilige Familie genauer an.
Wer sind diese Menschen, die wir als heilige Familie bezeichnen?

Über Maria und ihre Herkunft erfahren wir wenig, außer dass sie eine Verwandte, Elisabeth hat.
Eine Jungfrau soll sie gewesen sein, heißt es.
Vielleicht war es aber auch ein Übersetzungsfehler?
Man weiß es nicht so genau.
Das, was da in der Bibel steht, kann auch mit junge Frau übersetzt werden.
Jedenfalls ist sie schwanger und ohne Ehemann.
Wir halten fest: Jesus ist ein uneheliches Kind.
Egal, wer der Vater ist, da geht kein Weg dran vorbei.
Heute ist nichts Besonderes mehr.
Aber noch vor fünfzig Jahren war es auch in Deutschland ein Drama.
U nd im alten Israel sah das nochmal ganz anders aus.

Über Josef und seine Familie wissen wir schon mehr.
Und sein Stammbaum ist Jesu Stammbaum, sagt das Matthäus-Evangelium.
Auch etwas seltsam, oder?
Er ist nicht der Vater, sondern der Heilige Geist, aber der Stammbaum Jesu ist dann doch der von Josef.
Egal: Es ist jedenfalls ein toller Stammbaum in den Ohren der Zeitgenossen von Jesus.
Einer, auf den man stolz sein kann.
Er geht zurück bis Abraham.
Die ganzen großen Könige stehen in der Linie des Josef.
David, Salomo, Usia und so weiter und so fort.
Was für eine Familie!
Für einen Juden war es wichtig angeben zu können, wie die Linie der Väter verläuft.
Niemand konnte Priester werden ohne Nachweis des Stammbaums.
Deswegen war das mit dem Ehebruch auch so schwierig, denn wenn die Frau dann schwanger wurde, wer war der Vater?
Die Frage stellt sich ja auch hier, aber da geht die Bibel stillschweigend darüber hinweg.
Sie lässt das einfach nebeneinander stehen.
Ein Bruch aller Tradition, Jesus, der Sohn Gottes, »eigentlich« ohne Stammbaum....
Vielleicht ein Hinweis darauf, dass es Wichtigeres gibt als Traditionen und kulturelle Regeln?

Was mir in dieser männlich ausgerichteten Stammbaum-Tradition auffällt:
Da werden auch einige Frauen genannt.
Und die haben es in sich.
Für uns sind das nur Namen, aber lesen wir mal nach in der hebräischen Bibel, die wir Altes Testament nennen:
Juda hat Zwillingssöhne mit seiner Schwiegertochter Tamar gezeugt.
Boas ist der Sohn der Prostituierten Rahab.
Seine Mutter hat seinen Vater, der als Spion ins Land gekommen war, bei sich versteckt gehalten und offensichtlich noch etwas mehr für ihn getan.
Boas selbst geht später eine arrangierte Ehe mit der Ausländerin Rut ein.
Die hat ihn in einer Nacht-und-Nebelaktion verführt und damit Tatsachen geschaffen.
Und König David?
Er hat mehr als ein Auge auf eine verheiratete Frau geworfen und lässt ihren Ehemann umbringen, um die Angebetete ehelichen zu können.
Der Sohn aus dieser Beziehung wird nur mit Mühe als Thronfolger anerkannt.
Trotzdem steht er in der Linie des Josef und damit im Stammbaum Jesu.

In diesem Familienalbum läuft eigentlich gar nichts glatt.
Hier wird um die Nachkommenschaft und damit um die Familie gekämpft und gerungen, hier wird hintergangen und betrogen, kühl arrangiert und leidenschaftlich geliebt.
Leihmütter kommen vor, und Erbschleicher.
Und am Ende Maria und Josef, nichts mehr von der großen königlichen Tradition übrig, ein Handwerker weit weg von Jerusalem in Galiläa wohnend, hin und hergeschubst auf dem Tisch der Mächtigen.
Jesus kommt in einem Stall zur Welt, tiefer kann der Abstieg nicht mehr sein.
Für uns ist das romantisch, aber Hand aufs Herz, wer von Ihnen möchte das erleben?

Gottes Sohn, nicht im Zentrum der Macht geboren in einem Königspalast.
Und kurze Zeit später sind sie schon auf der Flucht, als Asylanten müssen sie in Ägypten leben, fern der Heimat.
Das ist die heilige Familie.

All das deutet der Evangelist Matthäus nur an.
Aber seine Zeitgenossen konnten mit den Namen genauso viel anfangen wie wir, wenn wir von Kate und William hören, von Boris und Lilly, von Angelina und Brad.
Die Namen reichen, und allen stehen Geschichten vor Augen.
Uns die Geschichten aus der Regendbogenpresse, den Menschen damals das Familienalbum Jesu.

Also, eine Patchwork-Familie.
Im Stammbaum höchst zweifelhafte Menschen, Verbrecher, Betrüger.
Eine Multi-Kulti-Familie.
Jesus ein uneheliches Kind.
Maria und Josef leben wie ein Ehepaar zusammen, ohne verheiratet zu sein.
Das ist die heilige Familie.
Und das ist gut so.
Vielleicht verehren wir sie deswegen so, weil wir ahnen, eigentlich sind die nicht anders als wir.
Es geht menschlich darin zu, so wie bei uns.
In diese Familie hinein wird Jesus geboren, in dieser Familie wächst er auf.

Denn ohne diese Familie wäre Jesus nicht erwachsen geworden.
Sie haben ihn gestillt, gewickelt, gewiegt, getröstet.
Sie haben sich an seinen ersten Schritten erfreut.
Sie haben ihm das Sprechen beigebracht und wie man sich in dieser Welt unter Menschen bewegt.

Ja, Jesus ist Gottes Sohn, aber auch Mensch.
Und in diesem Gemisch ist Jesus, was er heute und seit zweitausend Jahren ist:
Mensch Gottes für uns, Gott für uns im Mensch.

Es bleibt ein Geheimnis, dass die alte Kirche einst auf die unsinnige und doch so zutreffende Formel gebracht: Jesus ist ganz Mensch, ganz Gott, und zwar unvermischt, unverändert, ungeteilt und ungetrennt.

Unvermischt, unverändert, ungeteilt und ungetrennt.

Mit Logik ist das nicht zu erklären, aber mit dem Herzen zu erahnen und im Glauben zu verstehen. Jesus, das Kind in der Krippe, ganz Mensch mit Gefühlen, mit Familie und allem, was dazu gehört und zugleich ganz und gar Gott.
Ohne Gottes Geistkraft keine Erlösung, aber als unverzichtbares Gefäß wählte Gott diese Familie.
Das macht sie heilig.

Heilig ist sie aber nicht aus sich selbst heraus.
Sondern weil Gott sich ihr zugewendet hat.
Deswegen darf ich mich an diesem Bild freuen.
Gott kommt zu uns, zu mir. Wendet sich uns zu, erwählt uns.
Das lässt auf- und durchatmen.
An Weihnachten und danach.

Amen.